St. Anne’s Hospital

Die medizinische Versorgung des St. Anne’s Hospitals umfasst ein Einzugsgebiet von ca. 100 km entlang des Lake Nyasa (ca. 30 km in den Süden und bis ca. 70 km in der Norden) Dazu kommen viele in den Livingstone Mountains gelegene Dörfer, sodass bis zu 100.000 Einwohner von der Lage des Krankenhauses profitieren. Ein weiteres (staatliches) Krankenhaus der Grundversorgung ist in Mbamba Bay. Größere Krankenhäuser sind im ca. 200 km entfernten Songea (staatlich) und Peramiho (kirchlich).

Das St. Anne’s Hospital ist der größte Arbeitgeber in Liuli. Die Kapazität umfasst ca. 100 Betten. Davon machen den Großteil die Kinderstation und die Geburtshilfe aus. Daneben gibt es noch eine Männerstation und eine Frauenstation. Das Krankenhaus in Liuli behandelt grundsätzlich Krankheitsbilder aus der Innere Medizin (überwiegend Tropenkrankheiten) und leistet die Basisversorgung in der Abdominal- und Unfallchirurgie. Es gibt einen großen OP-Saal (Major Theatre), einen kleinen OP-Saal (Minor Theatre) für kleinere ambulante Eingriffe sowie einen Kreißsaal. Des Weiteren hat das Krankenhaus in Liuli eine Ambulanz (Outpatient Department) sowie eine spezielle HIV-Ambulanz.

Ambulante Versorgung
Im Jahr 2020 wurden etwa 6800 Patient:innen ambulant versorgt. Das Hauptkrankheitsbild ist die Malaria (ca. 30 %), gefolgt von Infektionen der Atemwege und Enteritiden. Aufrgund einer zunehmend besseren Infrastruktur und einer somit besseren Erreichbarkeit von Dispensaries (ambulanten Krankenstationen) rund um das St. Anne’s Hospital geht die Zahl der ambulant behandelten Patient:innen zurück. 2020 wurden in der HIV-Ambulanz aus dem gesamten Einzugsgebiet ca. 5500 Patienten betreut, davon erhalten circa 2400 eine HIV-Therapie.

Stationäre Versorgung
2020 wurden 3300 Patient:innen stationär versorgt. Auch hier ist Malaria die häufigste Aufnahmediagnose. 2,8 % der stationär aufgenommenen Kinder verstarben. Dieser Anteil ist immer noch sehr hoch, hat jedoch eine fallende Tendenz. 2010 verstarben noch 4 % aller stationär aufgenommenen Kinder.

Geburtshilfe
Die Anzahl der stationären Geburten ist in den letzten Jahren nahezu konstant geblieben. 2017 gab es 573 normale Geburten sowie 272 Kaiserschnitte, 2020 waren es 563 normale Geburten und 217 Kaiserschnitte.

Das Krankenhaus als Arbeitgeber
2020 arbeiteten im St. Anne’s 83 Angestellte. Das entspricht ca. 40 % der tatsächlich benötigten (berechneten) Zahl an Mitarbeiter:innen. 70 % der Angestellten haben keine qualifizierte Ausbildung, sind „ungelernte Mitarbeiter:innen“, die unterstützend im Stationsalltag tätig sind. Dies ist ein Spiegelbild der Ausbildungssituation in ländlichen Gebieten Tansanias. Das Monatseinkommen einer Hilfskraft liegt bei ca. 30-40 Euro.

Geschichte des Krankenhauses

Die Geschichte des St. Anne´s Hospital reicht zurück in die Zeit der Großen Entdecker Afrikas. In der Mitte des 19. Jahrhunderts machte sich David Livingstone auf, Ostafrika zu erkunden. Mit den Worten „Ich werde nach Afrika (zurück)gehen, um den Weg für Handel und Christianisierung frei zu machen (…)“ versuchte er 1857 seine Kollegen in Cambridge zu bewegen, mehr Offenheit und Zuversicht in die bis dahin verschlossenen Möglichkeiten eines nahezu ganzen Kontinents zu zeigen.

Tatsache war zu diesem Zeitpunkt, dass von großen Regionen Afrikas, sieht man einmal von Nordafrika ab, nur die Küstenverläufe bekannt waren. Das Landesinnere war meist ein einziger weißer Fleck auf den damaligen Karten. 1857 brechen David Livingstone, der Geistliche William Percival Johnson und der Bischof Charles Mackenzie im Auftrag der „University Mission to Central Africa“ (UMCA) nach Ostafrika auf. Ihre Mission hat fünf Ziele: Das Beenden der Sklaverei, die Verbreitung des Christentums, den Bau von Krankenhäusern und Schulen und den Aufbau von Handelsrouten.

Die meisten auf Sansibar lebenden Sklaven stammten zu diesem Zeitpunkt aus dem heutigen Malawi. Sie wurden per Schiff nach Masasi im Südosten Tansanias verbracht. Nach dem Bau mehrerer Kirchen erreichte man über das Gebiet, das heutzutage zu Mosambik und Malawi zählt, Likoma Island – im Lake Nyasa. Dort wurde dann 1902 die bis dahin größte Kirche auf dem afrikanischen Festland gebaut. 1906 lässt Percival Johnson eine Krankenstation und eine Kirche an der Ostküste des Sees erbauen, in einer Siedlung, die dem heutigen Liuli entspricht. Von einem Krankenhaus konnte noch nicht wirklich die Rede sein. Heute würde man sagen, dass die Mission Dispensary eine Art Durchgangsstation für Ärzt:innen vom gegenüberliegenden Likoma Island war. Auf der Reise durch die Peripherie wurden alle Dispensaries besucht, um die dort aufgenommenen Patient:innen (maximal ca. 20) so gut es eben ging zu behandeln.

Bald aber wurde klar, dass dieses System einerseits der Anzahl an Behandlungsbedürftigen nicht gerecht wurde, und andererseits mit Liuli ein ausgezeichneter Knotenpunkt zur Einrichtung einer größer angelegten Krankenversorgung bestand. Daher begann man 1922 mit dem Bau eines Krankenhauses, dem jetzigen St. Anne’s Hospital. Ebenso wurden die ersten Räume des Doctors House in diesem Zeitraum errichtet.

Erster Arzt für Liuli war von 1922 bis 1952 Dr. Wigan. Sein Hauptquartier war Likoma Island. Von dort aus reiste er mit dem Schiff zu den einzelnen Krankenhäusern und Dispensaries. Während seines Aufenthalts wohnte er in Liuli im Doctors House.

1952 wird die neue Diözese Südwesttanganika gegründet. Liuli wird Bischofssitz für die Region Iringa, Mbeya und Ruvuma. Aufgrund des hohen Malariarisikos residiert der Bischof Frank jedoch in Njombe. Mit der neuen Diözese wird Liuli fester Sitz für einen Arzt. Die ersten Ärzte werden durch UMCA (Universal Mission Central for Africa) aus Großbritannien nach Liuli gesendet. Sie mussten unverheiratet sein und nicht in einer Beziehung lebend. Nach der Unabhängigkeit Tansanias im Jahr 1962 war UMCA nicht mehr zuständig für das Entsenden von Ärzten nach Liuli.

1976 wird Dr. Sam Ndimbo erster afrikanischer First Medical Officer in Liuli. Er wird 1996 berentet, arbeitet danach noch bis 2004 für das Krankenhaus weiter. Auch bis zum heutigen Tag wird das Krankenhaus medizinisch durch einen tansanischen Arzt geleitet. Bis 1999 waren verschiedene Ärzte und Ärztinnen aus England, Deutschland und den Niederlanden – vermittelt durch unterschiedliche Organisation – teilweise mehrjährig in Liuli für das Krankenhaus tätig. Aktuell werden im Rahmen einer freiwilligen Arbeit Ärzte und Ärztinnen durch unseren Verein nach Liuli vermittelt, um dort ihre Erfahrung einzubringen. Sie wohnen in der Regel mit Ihrer Familie in Liuli im Doctors House.