Abreise heißt Abschied nehmen

Abschied von Liuli und Aufbruch nach Peramiho

Alles hat ein Ende – leider auch unsere Zeit in Liuli. Der Abschied fällt ein bisschen schwer nach der langen und ereignisreichen Zeit, aber immerhin von Tansania müssen wir uns heute noch nicht verabschieden. Wir machen uns mit dem Bus auf den Weg nach Peramiho.

Dr. Monica, eine Internistin aus dem St. Joseph Hospital Peramiho, zeigt uns heute das Krankenhaus. Wie auch schon in Songea, wo wir auf der Hinreise nach Liuli zu Besuch waren, ist das hiesige Krankenhaus deutlich größer und besser ausgestattet als St. Anne’s, was vermutlich auch das viel höhere Patient:innenaufkommen in Peramiho erklärt. Trägerin des Krankenhauses ist übrigens die römisch-katholische Kirche, die ganz offensichtlich mehr Geld hat als die anglikanische Kirche, zu der das Krankenhaus in Liuli gehört. Besonders beeindruckend finde ich die Neugeborenen-Intensivstation, die mindestens 15 Betten umfasst. Jeder Bettplatz ist mit einem Sauerstoffanschluss ausgestattet, es gibt zahlreiche Wärmelampen und einen separaten Raum für Kangarooing. Kangarooing ist eine Therapieform, bei der Frühgeborene an die nackte Brust eines Elternteils gelegt werden. Der Hautkontakt führt nachweislich zu einer besseren Temperaturregulation und stabilisiert die Herzkreislauffunktion, was das Risiko von schweren Infektionen sowie die Sterblichkeit senkt. Darüber hinaus besitzt das Krankenhaus jede Fachrichtung, die ein gutes Referral Hospital braucht, inklusive einer Augenabteilung und sogar einer nigelnagelneuen Dialysestation. Nach Peramiho verlegen wir diejenigen Patient:innen, die in St. Anne’s nicht versorgt werden können, zum Beispiel bei blutenden Magengeschwüren, komplexen Knochenbrüchen oder Tumorverdacht. Dabei gibt es nur zwei Probleme: Erstens müssen die Patient:innen meistens per Bus nach Peramiho – eine beschwerliche Reise, die regelhaft etwa sieben Stunden dauert. Zweitens können sich die meisten Menschen eine solche Reise gar nicht leisten, geschweige denn die weiterführende Versorgung am Peramiho Hospital.

Zurück dorthin, wo alles begann

Unser letzter Stopp ist Dar Es Salaam – von hier aus fliegen wir auch wieder nach Deutschland. Bevor wir dort ankommen, müssen wir allerdings eine 20-stündige Reise mit dem Bus auf uns nehmen. Wie schon bei der Hinreise geht es früh am Morgen los (der Bus fährt um 04:20 Uhr ab) und Pausen sind sehr rar gesät. Das hohe Tempo, die unebene Straße und die laute Musik machen es fast unmöglich, etwas anderes zu tun als aus dem Fenster zu gucken. Das finde ich aber in Ordnung, denn so kann ich die verschiedenen Landstriche noch einmal auf mich wirken lassen. Wir starten am Nyasasee und passieren hintereinander mehrere, wild anmutende Bergketten. Mir gefallen wieder die vielfältige tropische Vegetation und die rötlich leuchtenden Hänge. Als wir durch den Mikumi Nationalpark fahren, sehen wir viele wilde Tiere, vor allem Giraffen aus nächster Nähe und mit etwas Sicherheitsabstand sogar die scheueren Elefanten. Schließlich kommen wir in die dicht besiedelte, urbane Gegend von Dar Es Salaam. Hier haben wir noch vier Tage, bevor uns das Flugzeug zurück nach Deutschland bringt. Wir nutzen die Zeit um die Firmen zu besuchen, bei denen wir medizinisches Equipment für das Krankenhaus kaufen wollen.

Meine zweite Dar Es Salaam Erfahrung ist ganz anders als die erste. Tim und ich können uns ohne Probleme auf Swahili verständigen und das stößt bei den Tansaner:innen, denen wir bei unseren Erledigungen im Dienste des Vereins in der Stadt begegnen, auf großen Anklang. Ich fühle mich deutlich heimischer als noch vor zwei Monaten. Wie eine gemeinsame Sprache doch verbindet! Ich begegne hier aber auch wieder vermehrt Afrikaner:innen, die Englisch sprechen. Zum Beispiel spricht mich beim Schwimmen eine Gruppe von jungen Männern an, die etwa so alt sein müssten wie ich. Sie fragen mich, ob ich ihnen schwimmen beibringen kann! Ich gebe mein Bestes ihnen die Bewegungen vorzumachen und zu erklären. Nach einer viertel Stunde gemeinsamen Trainings, die mir wirklich Spaß macht, verabschiede ich mich mit einem kesho! bis morgen. Vielleicht sieht man sich ja wieder für ein weiteres Schwimmtraining.

Unser Aufenthalt in Dar Es Salaam gestaltet sich mehr als erfolgreich. Wir kaufen dringend benötigtes medizinisches Equipment, wie beispielsweise ein hochmodernes 12-Kanal-Elektrokardiogramm, Metallbehälter zur Sterilisation von Instrumenten, Metallwägen für die Medikamentendistribution, ein Blutzuckermessgerät und vieles mehr. Die ganzen Einkäufe nehmen zwei volle Tage in Anspruch. Am Ende des zweiten Tages treffen wir den Deutschen Christoph Bonsmann, der im Executive Board von Action Medeor arbeitet, einer großen deutschen medizinischen Hilfsorganisation, die unter anderem Krankenhauszubehör verkauft und spendet. Herr Bonsmann ist ein sehr sympathischer und offener Mensch. Er nimmt sich eine Stunde Zeit, um mit uns über das St. Anne’s Krankenhaus in Liuli zu sprechen, und zeigt großes Interesse an unseren derzeitigen Projekten und den Schwierigkeiten, mit denen wir in Liuli zu kämpfen haben. Christoph Bonsmann scheint aber auch ein Mann der Tat zu sein: Er bietet uns an, ein Ultraschallgerät an das Krankenhaus zu spenden! Zudem sichert er weitere Unterstützung und Vergünstigungen bei zukünftigen Anfragen an Action Medeor zu. Was für ein Glück! Wir Helfenden brauchen doch auch Hilfe von anderen Menschen, die uns durch ihre Zeit, ihr Engagement oder ihre Spende unterstützen wollen.

Kwa heri Tanzania – Goodbye Tanzania!

Heute Nacht ist es so weit: wir fliegen zurück nach Deutschland. Meine Reise durch Tansania ist beendet. Zeit für ein Fazit. Kein endgültiges, denn die Eindrücke werden sicher noch länger nachwirken. Was werde ich vermissen? Allem voran die Herzlichkeit der Menschen in Liuli. Bei jedem Spaziergang durchs Dorf war ich gerührt angesichts der Freundlichkeit und des riesigen Vertrauensvorschusses. Mir werden die vielen Kinder fehlen, die begeistert auf uns zu gerannt sind und uns begegnen wollten. Sobald ein Kind mich sah, rief es laut „Msungu!“, und schon war eine ganze Rasselbande von Kindern auf der Straße, die mich fröhlich anstrahlte. Und ich strahlte zurück. Die Jugendlichen, die mich am Strand angesprochen und um ein Foto von ihnen gebeten haben, weil ich ein Smartphone besitze. Die Freude, als ich ihnen das Foto von ihrer Gruppe zeige und sie frage, ob wir auch zusammen noch eins machen können. Die Sprache werde ich vermissen, vor allem die Vielfalt der Begrüßungsarten, und die Tatsache, dass die Wörter Asante und Karibu (Danke und Gern geschehen/ willkommen) so häufig verwendet werden. Swahili ist eine Sprache der Dankbarkeit und des Willkommen Heißens. Am Ende habe ich viel verstanden und einfache Konversationen führen können. Die Tansaner:innen haben sich darüber aufrichtig gefreut, und das hat auch mich sehr gefreut. Die Arbeit im Krankenhaus wird mir sehr fehlen. Ich bin dankbar für die Eindrücke, die ich nun mitnehme, und alles was ich über Tropenmedizin und ärztliches Arbeiten in einem ressourcen-limitierten Setting gelernt habe. Ich freue mich sehr über alles, was wir hier erleben und tun durften, über die Projekte, die wir realisieren konnten. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei allen Unterstützer:innen des Vereins bedanken! Eure Spenden haben ermöglicht, dass wir wichtige Medikamente und medizinische Geräte wie das neue EKG kaufen konnten. Dies verbessert unmittelbar die Patient:innenversorgung in der Nyasa-Gegend! Wir konnten bei der Renovierung des Röntgendepartments helfen und dadurch das Risiko für eine ungewollte Strahlenexposition minimieren. Durch Installation von Sicherungen und Blitzableitern konnten wir die Sicherheit der Patient:innen und des Personals im Krankenhaus deutlich erhöhen. Defekte Waschbecken konnten repariert werden, sodass die Angestellten nun in jedem Raum der essenziellen Händehygiene nachgehen können. Und vieles mehr, wie ihr in meinem Blog erfahren konntet. Für eure Unterstützung und euer Vertrauen danken wir euch sehr! Eine Patientin sagte einmal zu mir: „I cannot give you anything, but God will pay you”. Gibt es einen besseren Lohn als das? Mein Blog endet an dieser Stelle – aber die Arbeit für Liuli geht weiter. Vielen Dank für euer Interesse an meiner Reise! Ich würde mich sehr freuen, wenn auch ihr den Menschen in Liuli mit einer Spende oder, wenn noch nicht geschehen, mit einer Fördermitgliedschaft in unserem Verein helfen möchtet. Der jährliche Förderbetrag ist frei wählbar und jeder Euro hilft. Kwa heri, asante sana na karibu tena!