Liuli

Liuli ist ein kleiner Ort im Südwesten Tansanias mit ca. 3000 Einwohnern, direkt am Lake Nyasa (oder Lake Malawi) gelegen und umrahmt von den Livingstone Mountains. Ca.1200 Straßenkilometer entfernt vom nächsten internationalen Flughafen in Daressalam gelegen, ist es frühestens innerhalb von zwei, eher drei Tagen zu erreichen.

Anreise

Von Daressalam führt eine Asphaltstraße zunächst in das ca. 900 km entfernte Songea. Nachdem die Straße an der Ostküste südwärts 2019 fertiggestellt wurde, kann man nun über Lindi (Südosttansania) nach Songea reisen. Die Alternative ist die alte, ebenfalls asphaltierte Strecke über Iringa, die landschaftlich bedeutend schöner und abwechslungsreicher ist. Es verkehren täglich mehrere Fernbusse, die alle früh morgens in Daressalam starten und spät abends oder nachts in Songea ankommen. Von Songea nach Liuli ist die 165 km lange Straße bis an den Lake Nyasa ebenfalls seit 2020 komplett asphaltiert. Die letzten 40 km von Mbamba Bay nach Liuli geht es am See entlang über eine Schotterpiste. Täglich verkehren ein bis zwei Busse nach Mbinga und Songea.

Infrastruktur

In Liuli selbst gibt es keine große Infrastruktur. Eine Tankstelle findet man im ca. 40 km entfernten Mbamba Bay. Dabei ist jedoch nicht gesichert, dass immer Diesel oder Benzin vorhanden ist. Das Krankenhaus mit seinen knapp 100 Betten ist der größte Arbeitgeber. Neben einigen kleinen Läden/Kiosken mit Dingen für den täglichen Bedarf, einem Schneider und einigen Kleinstbetrieben gibt es Garküchen und Kneipen sowie einfache Unterkünfte. Dazu findet man noch einen kleinen Markt und einen Sportplatz. Gegenüber vom Krankenhaus liegt die Kirche – sonntäglicher Sammelpunkt für die Menschen in Liuli und aus den umliegenden Dörfern.

Wirtschaftliche Situation

Die Mehrheit der Menschen in der Region Liuli lebt von den Erträgen einer eigenen kleinen Landwirtschaft hinter dem Haus. Vor allem Kasawa bzw. Maniok, ein Wurzelgemüse, bildet die Nahrungsgrundlage. Da es keine Landmaschinen gibt, werden die kleinen Felder „per Hand“ bewirtschaftet. Ein weiterer Teil der Bevölkerung lebt vom Fischfang im Malawisee. Dieser garantiert eine gute Ernährung und trägt auch zur Trinkwasserversorgung bei. Allerdings ist der Ertrag der Fischer auf ihren Booten stark vom Wetter abhängig. Bei starkem Regen oder Sturm ist der See nicht befahrbar, sodass der Nachschub an Fisch für einige Zeit pausiert. Auch das Halten von Hühnern und Ziegen trägt zur Nahrungsversorgung bei.

Mag das tägliche Leben hier auf den ersten Blick noch so idyllisch erscheinen, Armut und Probleme vor Ort sind groß. Die meisten Menschen haben im Schnitt ca. 1 bis 1,50 Euro täglich zum Leben, was gemäß der Weltbank absolute Armut bedeutet. Nur wenige Menschen wohnen in einem gemauerten (einstöckigen) Haus, die meisten Häuser bestehen aus Lehm. Eine kleine Ziegelei im Ort sorgt für deren Herstellung. Auf kleinem Raum wohnen mehrere Generationen zusammen. Jede Generation trägt im Rahmen ihrer Möglichkeiten zum täglichen Unterhalt und Überleben bei. Eine Rentenversicherung gibt es nicht. Zwar besteht eine Schulpflicht und die Primary School ist kostenlos, dennoch können
einige Kinder sie nicht besuchen, weil die Sicherung der Grundversorgung zu Hause Vorrang hat.

Geschichte

Von der Kolonialzeit bis zur Unabhängigkeit
Das heutige Tansania gehörte von 1885-1918 zur deutschen Kolonie Deutsch-Ostafrika. Von der Ostküste drangen die Kolonialisten immer weiter ins Landesinnere vor und gründeten um 1890 am Lake Nyasa den Ort Sphinxhafen – das heutige Liuli. Die Namensgebung stammt von einer Felsformation, die an eine Sphinx erinnert.

Auf dem Lake Nyasa hatte die deutsche Schutztruppe 1893 ein Polizei- und Zollschiff, die „Hermann von Wissmann“, stationiert. Ursprünglich zur Überwachung und Bekämpfung des Sklavenhandels eingesetzt, wurde es auch ein Transportschiff zu den anderen Häfen am Lake Nyasa genutzt. Zu Beginn des ersten Weltkriegs, im August 1914, wurden der Kapitän und der Maschinist des Schiffs von britischen Truppen gefangen genommen. Erst dadurch erfuhr die deutsche Besatzung vom Kriegsausbruch.

Nach dem Ende des ersten Weltkrieges ging Liuli in britisches Verwaltungsgebiet über. Ab 1962 war das heutige Festland Tansania und damit auch Sansibar unabhängig als Republik Tanganjika. Schon zwei Jahren darauf, am 26. April 1964, wurde Tanganjika vereinigt mit dem Inselstaat Sansibar zur „Vereinigten Republik von Tansania“.

Jüngere Entwicklungen
Liuli war bis Anfang der 2000er Jahre nur über sehr abenteuerliche Pisten zu erreichen. Die Schotterpiste am See von Mbamba Bay existierte nicht, so dass sich Geländewagen quer durch die Vegetation, teilweise über sehr abenteuerliche Brücken oder durch Flussbetten hindurch nach Liuli kämpfen mussten – alleine schon um die Materialversorgung des Krankenhauses sicherzustellen. Bis ca. 2005 existierte kein Mobilfunknetz, sodass Telefonate über Operatoren von der Post aus geführt werden mussten. Patient:innen erreichten das Krankenhaus entweder zu Fuß oder mit einem Einbaum am Seeufer. Eine Stromversorgung gab es nicht bis zur Installation der ersten Solaranlage am Krankenhaus Ende der 90er Jahre.

Seit Mitte der 2000er Jahre kämpfen die Mobilfunkanbieter um jede:n Kund:in und selbst in entlegensten Regionen wie in Liuli sprießen die Masten wie Pilze aus dem Boden. Die Piste am See wird mehr oder weniger instandgehalten, sodass ein Transport mit einem Einbaum nicht mehr notwendig ist. Viele Menschen in der Region teilen sich ein Moped oder bieten Fahrdienste darauf an. Es ist eine Frage der Zeit, bis auch die Strecke am Lake Nyasa asphaltiert sein wird.