Unser Alltag

Sofern man nach einer Woche Aufenthalt in Liuli von einem Alltag sprechen kann, haben wir bereits Tagesroutinen entwickelt. Am Morgen nach dem Chai ya asubuhi gehen wir mit Dr. Evans auf die Visite, die meistens bis ca. 11 Uhr dauert. Danach sehen wir gemeinsam Patient:innen im Outpatient Department (OPD). Oft sind wir einer Meinung, was die Diagnostik und Therapie angeht, aber manchmal stelle ich fest, dass es schon große Unterschiede gibt, zum Beispiel in der Handhabung von Antibiotika. Während in Deutschland eine große Zurückhaltung in der Verwendung gelehrt wird, gehören Antibiotika hier zu einer guten Therapie dazu. Meistens werden sogar Breitbandantibiotika wie Ceftriaxon bevorzugt, die wir in Deutschland nur bei schweren Infektionen geben, damit sie dann noch eine gute Wirksamkeit haben und wir nicht mit Resistenzen kämpfen müssen (was eh schon oft genug der Fall ist). Wir diskutieren über die Fälle und tauschen unser Wissen aus, aber letztlich bin ich mir bewusst, dass wir hier nur Gäste sind. Der gegenseitige Austausch ist einer der wichtigsten Aspekte unserer Freundschaft. Ich lerne hier, wie ich den Bauch einer schwangeren Frau mit den Händen untersuche, um die exakte Lage des Kindes zu bestimmen. Da die Geburtshilfe hier so ein großer Schwerpunkt ist, können wir bei Spontangeburten und Kaiserschnitten assistieren. Ich für meinen Teil hatte abgesehen von den Vorlesungen und Seminaren im Fach Gynäkologie noch keine praktischen Einblicke in die Geburtshilfe, deshalb ist das für mich ganz wertvoll. Die Kaiserschnitte führt in Tansania übrigens der:die General Practitioner durch, in Deutschland der:die Gynäkolog:in.

Nach dem Mittagessen gehen wir meistens anderen Beschäftigungen nach, zum Beispiel laden wir die Dental Technician Joyce (Joyful) zum Tee ein, um die Ankunft der Dental Volunteers aus Deutschland vorzubereiten. Davon erzähle ich, wenn die Zahnärzt:innen dann in Liuli sind. Oder wir sprechen darüber, welche Projekte aus unserer Sicht gewinnbringend für das Krankenhaus wären und ob wir in der Lage sind sie umzusetzen. Wir informieren uns über Stiftungen, bei denen wir uns um Fördermittel bewerben können. Das Schreiben zählt auf jeden Fall zu meinen Lieblingsbeschäftigungen am Nachmittag. Pünktlich zum Sonnenuntergang gehen wir meist eine halbe Stunde im See schwimmen. Nach dem Abendessen geht jede:r bis zum Zubettgehen eigenen Beschäftigungen nach.